Der Prince of Darkness ist nicht mehr
- Michael Knoll
- 23. Juli
- 7 Min. Lesezeit
Eigentlich wollte ich meinen 2. Beitrag ever etwas profanem widmen. Ich dachte da an einen Artikel über die Streckbank oder an ein Album aus dem Jahre Schnee. So war der Plan. Den hab ich am frühen Morgen, gleich nachdem ich die Nachrichten gelesen habe verworfen. Ich lese noch im Bett für gewöhnlich die Nachrichten so im Kurzdurchlauf, normalerweise ist da nichts dabei, dass mich aus den Socken schießt. Heute war das anders. Einer der größten Musiker und Entertainer - meiner bescheidenen Meinung nach - trat seinen Weg zu seinem Schöpfer an. Ozzy Osbourne, der Mann, der Fucking nicht nur als Wort sondern vielmehr als Satzzeichen nutzte ist gestorben. Vor einigen Tagen hat er noch sein (diesmal) letztes Konzert in seiner Heimatstadt gegeben (ich hab mir den Livestream gegönnt und nicht bereut) und jetzt ist er nicht mehr - und das hat mich echt erschüttert. Nach Lemmy und Eddie wieder ein ganz großer des Metals. Er war nicht nur ein ganz großer, man kann sagen, er gehört zu jenen, ohne die es den Metal vermutlich so nicht geben würde. Ich könnte jetzt so wie viele andere ausführen, wo er geboren ist, welche Torten seine Mutter gerne gegessen hat oder welche Auto sein Nachbar fährt, interessiert vermutlich aber niemanden. Ich könnte auch seine Diskographie auf und ab beten (muss ich aber nicht, alle die seine Musik schätzen kennen die ohnehin). Mach ich aber nicht.

Ich möchte vielmehr einfach nur ein paar Worte über ihn verlieren. Wenn ich heute so darüber nachdenke war er vermutlich einer der ersten, die mir auf meinem kleinen Radio den Metal näherbrachten. Ich hatte damals eine Kassette, auf der neben einem Haufen Deep Purple (das Band war von meinem Vater, ich mochte Deep Purple nie so wirklich) auch Paranoid und der Anfang von Iron Man (davon passte leider nicht mehr drauf - war halt früher so) waren. Ich weis heute noch und das ist nun schon einige Jahrzehnte her, dass ich mich für das schwere treibende Spiel viel mehr begeistern konnte als das für meinen Geschmack schon fast hysterische Wirken Deep Purples. Da war ich so in etwa 10. Einige Zeit später sorgte dann der Öffentlich rechtliche Rundfunk dafür, dass Black Sabbath und somit Ozzy für mich das wurden was sie heute, Jahre später, noch immer sind - Musiker, die mich selbst nach stundenlanger Dauerschleifen nicht langweilen würden, und die für mich zu den wichtigsten Figuren, nicht nur des Metals, gehören. Aber zurück zum öffentlichen Rundfunk. In dem lief irgendwann mitten in der Nacht ein Format namens "Xlarge" moderiert von Arabella Kiesbauer konnte man hier Dokumentationen und was weis ich noch so alles bestaunen. Eine davon blieb mir allerdings in Erinnerung - Dance with the Devil. In dieser Doku wurde versucht, dem Seher anhand von gut recherchierten Halbwissen zu erklären, warum Metal asozial und böse ist und seine Proponenten direkt aus dem 9. Höllenkreis stammen. Da wurde zum Beispiel Dee Snider vorgeworfen er verherrliche Gewalt (das war noch vor seinem Film Strangeland), Judas Priest attestierte man eine Nähe zum Gehörnten, was man aber nur hört, wenn man ihre Platten rückwärts spielt - ich muss dazu sagen, zu der Zeit gab es vereinzelt CD´s, die rückwärts spielen war ein Ding der Unmöglichkeit, manche Kassettendecks konnten das, aber LP´s na ja, wäre ich auf die Idee gekommen auf Papas Plattenspieler eine Platte in die andere Richtung zu drehen wäre das für mich und für die Nadel noch viel weniger gut ausgegangen. W.A.S.P, Deicide (die Jungs, die wider ihrer Ankündigung noch immer unter den Lebenden wandeln) und sogar die Eagles bekamen ihr Fett weg. Aber jeder von denen kam gerade einmal ganz kurz vor. Anders verhielt es sich da bei Sabbath und Ozzy vor denen durften Priester, Anwälte und unzählige Organisationen warnen. Da wurden auf Sabbath Bloody Sabbath, auf Blizzard of Ozz Werke entdeckt, die die Menschen in den Selbstmord oder in den Satanismus in die Sodomie oder vielleicht sogar in alles trieben, und Bark at the Moon machte aus jedem Teenager umgehend einen Jünger Lucifers. Sollte mich das von der ganzen Geschichte fernhalten, war das der sprichwörtliche Schuss in den Ofen, ich zog schon am Tag darauf los und investierte mein Taschengeld in zwei Tonträger. In der Nachbarortschaft gab es einen gut sortierten Plattenladen, hier fand ich Bark at the Moon und Blizzard of Ozz, Sabbath Bloody Sabbath fand ich erst ein paar Jahre später in Wien. Die Werke liefen Stunden um Stunden. Zu einigen Nummern muss man erst einen Zugang finden (einige lernte ich erst viele Jahre später zu schätzen, vielleicht braucht man dafür auch ein wenig Reife), andere wiederum knallen wie hochprozentiger Schnaps sofort. Ab da an waren Ozzy aber auch Sabbath immer ein Pflichtkauf, sobald was neues am Markt war. Ozzy ist für mich aber irgendwie mehr als ein Musiker, er repräsentiert für mich eine Zeit, die so denke ich, die beste war, die die letzten sagen wir mal 200 Jahre hervorbrachten. Weder er noch andere mussten sich in ein Korsett zwängen, die Menschen respektierten einander und ihre Eigenheiten (auch ohne staatliche Vorgaben). Musiker waren Musiker, die die Menschen hören wollten und nicht Musiker von denen eine Plattenfirma dachte, dass sie die Menschen hören müssen. In dieser Zeit hatte jeder seine Chance. Ozzy selbst ist da eines der besten Beispiele, er gab unzähligen jungen Musikern (allen voran Zakk Wylde) die Möglichkeit zu profilieren. Aber ich schweife ab. In erster Linie war Ozzy ja Musiker, also wollen wir auch ein wenig über seine Musik sprechen. Ich kann gar nicht sagen, welches seiner Lieder das Beste ist, hängt vielleicht auch ein wenig von meiner Stimmung ab, aber auch da gibt es für so ziemlich jede Stimmungslage einige Songs. Zu den Besten gehören für mich aber mit Sicherheit Bark at the Moon. Ich liebe den Anfangsriff, aber nicht nur den, auch das Ende hin zu seinem Abschlussheuler hat es in sich (ich hab mich schon einige male an der Gitarre daran versucht, allerdings mit mäßigen Erfolg). Mit Suicide Solution verhält es sich ähnlich (Zakk Wylde bringt es auf Life and Loud noch auf ein höheres Level, wobei die Studioversion selbst schon genial klingt). Shot in the Dark und Ultimate Sin waren und sind zeitlos. Ich erinnere mich noch sehr gut an die Life-Aufnahme von Shot in the Dark in Moskau gleich nach dem Fall des Eisernen Vorhangs (da sah man noch Zakk Wylds vollständiges Gesicht). Eines der Lieder, zu dem ich erst sehr spät einen Zugang fand war sicher Mr. Crowley - heute ist der Song von einer Ozzy-Playlist nicht mehr wegzudenken. An Gracy Train versuche ich mich heute noch. Die Road to Nowhere (auch daran hab ich mich unzählige male versucht) war in meinen jungen Jahren nicht nur musikalisches Programm. Bei Changes, Desire oder I don´t want to change the World bleibt mir auch heute noch der Mund offen. Es gab auch das eine oder andere Duett. Wie zum Beispiel folgendes - ich hatte ein Poster von ihr an der Wand, und kannte noch nicht mal so viel von ihr.
Ozzy glänzte aber nicht nur als Solokünstler. Seine Zeit mit Sabbath mag zwar kurz gewesen sein, hat die heutige Musikwelt aber nachhaltig und wie kaum ein anderer geprägt. Ich gehe sogar so weit und stelle Black Sabbath mit Ozzy auf eine Stufe mit den Beatles, Elvis oder den Stones. Abgesehen von Paranoid. Und da muss ich wieder an mein erstes Band denken. Heute ist es so, bei Paranoid drehe ich den Ton lauter, bei Smoke on the water wechsle ich den Sender. Aber zurück zu Paranoid. Ein Lied, das nie langweilig wird. Ich hab es in unzähligen Varianten gehört, allerdings hat es nach Ozzy nie wieder jemand geschafft dem Song den Charkter zu geben, dem ihm Ozzy verlieh. Ein Lied, das erst durch Ozzy, Tony, Bill und Geezer zu dem wird was es ist - ein Meisterwerk. Aber Iron Man oder War Pigs bewegen mich heute noch so als würde ich sie zum ersten mal hören. Killing yourself to live (eines der Lieder, das laut Doku zu unzähligen Selbstmorden führte) zeigt einem wie man Doom richtig macht und läuft Children of the Grave schmeckt mir mein Whiskey noch einen Tick besser. Apropos Whiskey. Da gibt es auch was ganz Nettes mit Mr. Lemmy Kilmister. Aber seht selbst.
So, weiter im Text. Wie wir ja alle wissen, haben sich die Wege dann ja getrennt, wobei ich sagen muss, dass Black Sabbath dann den einen oder anderen Sänger am Start hatten, der wirklich eine Bereicherung darstellte, wie etwa Ronnie James Dio - Heaven and Hell hatte schon was, oder Tony Martin - Headless Cross ist heute noch eines meiner liebsten Alben, When Death Calls sorgt noch immer für eine ausgeprägte Gänsehaut. Andererseits gab es dann aber auch schon mal Vocalisten die nicht so ganz passten. Rückwirkend betrachtet muss ich sagen, dass in der Zeit, in der jeder sein eigenes Süppchen kochte Ozzy die besseren Alben fabrizierte, da war nicht wirklich was dabei, wo ich mir dacht, hätte ich das Geld doch lieber in Wurst und Bier investiert. Apropos Bier, das erinnert mich an ein anderes Duett Ozzy/Lemmy.
Anders verhielt es sich da bei seinen ehemaligen Kumpanen. Die kamen schon mit Werken um die Ecke, zu denen ich absolut keinen Zugang fand und auch nicht mehr finden werde, so alt kann ich gar nicht mehr werden. Aber dann kam der Tag, an dem sie sich wieder zusammenrauften und wieder ein gemeinsames Werk raushauten - 13. Dieses Album hat dann so ziemlich jedem gezeigt wo der Frosch seine Locken hat und wie Doom zu klingen hat. Ein - und ich weis ich benutze das Wort heute wirklich häufig - geniales um nicht zu sagen grenzgeniales Werk. Kaum war das abgearbeitet kamen schon die nächsten Solostreiche. Und es war nicht so, als hätte der alte Herr sein Pulver schon verschossen, nein. Kein einziges Album war ein Hänger oder Pausenfüller. Ganz besonders beachtlich fand ich sein Duett mit Elton John - das hat mich ein klein wenig überrascht muss ich sagen, ich find es aber trotzdem super (obwohl ich sagen muss fairerweise hätte Elton im Video schon einmal vorkommen können). Ich erinnere mich aber auch gerne an seinen Gastauftritt als Prediger im 80er Hit "Ragman" (Fastway lieferten nebenbei bemerkt einen Hammer-Soundtrack), in dem übrigens auch Gene Simmons brillierte. Was ich nicht so sehr verfolgte waren die Osbournes, aber auch nur deswegen, weil ich nicht so viel Sinn darin gesehen habe, mir in meinem Wohnzimmer Menschen in einem anderen Wohnzimmer anzusehen. Ich könnte noch so viel schreiben, aber ich will es bei dem belassen. Viele Menschen bezeichnen mich als kalten emotionslosen Menschen ohne menschliche Regungen, was ich vermutlich auch oft bin. Nicht so heute, Ozzys Tod bewegt mich zutiefst, nicht nur weil einer der größten Musiker der Neuzeit seine Augen für immer geschlossen hat, sondern auch, weil er einen Teil meiner Jugend mit ins Grab nahm. Die Welt ist gestern um einiges ärmer geworden.
Wir haben uns zwar nicht persönlich gekannt (leider). Ich hatte auch leider nie die Gelegenheit die live zu erleben. Ich will mich aber trotzdem von dir Verabschieden und dir eine gute Reise wünschen. Grüße Lemmy, Randy, Eddie und solltest du ihn treffen Jimmi. Und sollte sich die Gelegenheit ergeben - entschuldige dich bei der Fledermaus. God Bless you all!
Go Fucking Grazy!
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